„Auch mit Steinen,die Dir in den Weg gelegt werden, kannst Du etwas Schönes bauen“ (Erich Kästner).
Mit dieser Erwartung im Hinterkopf,hatte ich mich auf die „lange Reise“ von Bochum nach Mülheim aufgemacht,um beim Treffen des jüdisch-muslimischen-Dialogs (kurz: „JuMudia“) dabei zu sein.
Für das Treffen,im Vorfeld hauptsächlich organisiert von David und Ati. ,sollten verschiedene Stationen jüdisch- und muslimischen Lebens im Ruhrgebiet,auf den Plan stehen. Oberste Priorität allerdings besaß das persönliche Kennenlernen der Gruppenmitglieder, die ihr Kommen zugesagt hatten.
Ati aus Duisburg, Sebastian aus Bochum und David der extra aus Prag angereist war, hatten sich für das Wochenende in einer Jugendherberge (mit direkten Blick auf die Ruhr!) in Mülheim eingefunden. Die Station des ersten Tages sollte der Besuch einer Ausstellung in Verbindung mit einer Besichtigung vom „Zug der Erinnerungen“ sein, der zu dem Zeitpunkt gerade in Essen Halt gemacht hatte.
Nachdem die drei Jungs vollzählig waren (einer von ihnen hatte Verspätung bei der Anreise von Bochum nach Mülheim^^), und am Essener Hbf die beiden Mädels Sümeyye und Rebekka noch hinzugestoßen waren,ging eine beschwerliche Suche nach dem Gleis los,weil die Ausstellung schon geschlossen hatte,und somit nur noch die Besichtigung des Zugs für diesen Abend übrig blieb.
Zu guter Letzt, und nach einer Suche die ansonsten nur noch von einer Pilgerfahrt hätte gekrönt werden können^^, hatte die Gruppe in einem entlegenen Bereich des Hauptbahnhofs das „magische“ Gleis mit dem Zug gefunden.
Wie es das Schicksal so wollte hatte die Suche zu lange gedauert (es war mittlerweile schon nach 19 Uhr),sodass die Ausstellung im Zug schon geschlossen war.
Von diesem ersten Niederschlag unbeeindruckt verschoben wir dieses erste Ziel auf den nächsten Tag.Wir verbrachten den restlichen Abend in einem Cafe in der Essener Innenstadt,um uns besser kennenzulernen.
Die erste Station des zweiten Tages war die im Bau befindliche Ditib Moschee in Duisburg Marxloh (siehe auch Fotos aus dem Album). Die Gruppe wurde sehr herzlich von Ali einem Islam-Lehrer und Mitglied des Gemeinderats empfangen. Nach einem herzhaften Çay Umtrunk (siehe Fotos im Album) und einer Video Vorführung die die Hintergründe des Moscheebaus anschaulich dargestellt hatte konnte die Begehung der bald größten Moschee Deutschlands in Angriff genommen werden. Exklusiv hatte unsere Gruppe, nicht zuletzt dank unserem Ansprechpartner Ali der Ati unnachamlich liebevoll „Adlan“ (Atis richtigen Namen) genannt hatte, auch die Möglichkeit in die Moschee hineinzugehen. Dort konnten wir die im Bau befindlichen sowie einmaligen Kalligraphischen Kunstwerke bestaunen die diese Moschee einst zieren werden (siehe Fotos).
Es wurden aber auch kritische Themen angeschnitten, wie z.B. der Widerstand gegenüber des Moscheebaus und mit welchen juristischen Problemen die islamischen Gemeinden in Deutschland zu kämpfen haben.Sümeyye war sehr überrascht, als sie erfuhr, dass der Islam rechtlich gesehen nicht als Religionsgemeinschaft akzeptiert wird. Da die Islamische Religionsgemeinschaft, im Unterschied z.b. zu Österreich, in Deutschland immer noch nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt ist, und somit eben auch nicht politisch, wird es wohl auch in Zukunft bei weiteren Moschee Neubauten Probleme geben.
Wunderbar ist es daher das der Bau der größten Moschee Deutschlands in Duisburg voranschreitet und damit -Inschallah- auch ein Zeichen gesetzt wird.
Da wir am Nachmittag den Termin in der Alten Synagoge Essen hatten,blieb uns bis dahin noch ein bisschen Zeit um im Stadtteil Duisburg Marxloh in Ruhe etwas zu essen.Nebenbei konnten wir die einzigartige Atmosphäre von Marxloh auf uns wirken lassen (Bei Döner und Co. Versteht sich;).
Am Nachmittag stand dann der Termin in der Essener Innenstadt auf dem Plan. Die Alte Synagoge einst für eine Gemeinde mit knapp 4500 Mitgliedern gebaut (Derzeit hat die jüdische Gemeinde in Essen 905 Mitglieder, davon 95% aus der ehemaligen UDSSR),und einem Hauptraum der 1500 Personen Platz geboten hat ,ist als Jüdisches Gotteshaus heute nicht mehr aktiv.Die einst größte Synagoge Deutschlands ist seit 1980 eine Gedenkstätte die regelmäßig Ausstellungen sowie Führungen anbietet. Für unsere Gruppe bot sich daher eine Sonderführung an (siehe Fotos).
Die Besichtigung der Synagoge u.a. mit ihrer eindrucksvollen Kuppel, ihrem großen Innenraum, lässt den Glanz eines einst prachtvollen Gebäudes nur erahnen.
Nachdem wir einen kurzen aber umfangreichen sowie interessanten Abriss über die Geschichte der Einrichtung erhalten hatten und die schönsten Fotos des Treffen geschossen wurden ging es weiter im Programm.
Unsere Gruppe hatte unterdessen Aufmerksamkeit bei anderen Besuchern der Synagoge erregt.Unser Museums-Führer war sichtlich von der Idee des Dialogs und der Zusammenkunft der Religionsgruppen begeistert und erwähnte dies leicht euphorisch an einigen Stellen. Unsere Beobachter nutzen die Situation aus und löcherten uns bald darauf mit Fragen. Fragen, deren Oberflächlichkeit nicht überraschte. Fragen „warum alle Terroristen Muslime seien und warum im Islam nur Hass gepredigt werde“ etc. Dabei wurde deutlich, dass diese Menschen sich mit dem Islam als solchen nicht beschäftigt hatten. Ihre Fragen und Kommentare waren der Widerhall der wachsenden Angst gegenüber etwas Unbekanntem in ihren Augen. Dabei ist interessant zu erwähnen, dass einer der Besucher, schon älter ca. 60 Jahre alt, noch nie in der alten Synagoge war. Obwohl ein gebürtige Essener und Zeitzeuge der deutschen Geschichte, hatte er sich scheinbar noch nie,oder allenfalls oberflächlich mit der jüdischen Kultur in Deutschland Beschäftigt.
Der Wunsch in der Gruppe,mehr über den jeweils anderen zu erfahren war sehr groß, sodass wir schon beim ersten Treffen auf ein höheres Niveau des Dialogs gekommen waren. Die Kommentare der Besucher haben uns exemplarisch gezeigt das gerade auch Außenstehende Nichtmuslime und Nichtjuden Schwierigkeiten mit diesem Dialog haben.Der Erfolg unserer Gruppe stellt vielmehr eine Herausforderung dar,die Schwierigkeiten von Außenstehenden durch Vermittlung unseres eigenen Anspruchs abzubauen.
Der nächste Punkt war der „Zug der Erinnerung“ den wir am Vortag nicht besuchen konnten.Bevor wir allerdings in den Zug steigen konnten musste uns Ati leider aufgrund einer ausgebrochenen Krankheit kurzzeitig verlassen.Mit einem Mitstreiter weniger begab sich die Gruppe in den Zug der Erinnerung.
Der „Zug der Erinnerung“ besteht aus mehreren Waggons, in denen die Geschichte der Deportationen europäischer Juden in beispielhaften Biografien nacherzählt wird. Schwerpunkt der Ausstellung ist das Deportationsgeschehen in Deutschland: die Zustellung der Deportationsbescheide, das Herrichten und Verlassen der Wohnungen, der Weg zu den Sammellagern und von dort am helllichten Tag durch die Dörfer und Städte zu den wartenden Zügen.
In einem eigenen Ausstellungsbereich werden mehrere Täter der unterschiedlichen Funktionsebenen vorgestellt: Vom Reichsverkehrsministerium über die SS bis hin zu den Logistikplanern der Reichsbahn, die für den Transport der todgeweihten Kinder und Jugendlichen in die Vernichtungslager sorgten. Mehrere dieser Spezialisten setzten ihre Bahnkarrieren in der Nachkriegszeit fort.
Am Ende des zweiten Waggons hängen die noch leeren, durch die Recherche von Schulen und anderen Organisationen zu füllenden Tafeln mit den Fotos und Biographien einzelner Kinder aus den Gemeinden und Städten entlang der Fahrstrecke.
Der „Zug der Erinnerung“ hält auch eine Rechercheneinheit bereit: Computer und Handbibliothek bieten die Möglichkeit zur Spurensuche.
Der Zug war trotz dessen das er aufgrund des „magischen Gleises“ schwer zu finden war gut Besucht. Die Wirkung des Zugs hatte bei allen Beteiligten einen schweren Eindruck hinterlassen und kann im Nachhinein tatsächlich als „Zug der Erinnerung“ bezeichnet werden.
Den Besuch der Abschlussveranstaltung vom „Zug der Erinnerung“, die noch am selben Tag stattgefunden hatte mussten wir leider aufgrund der zunehmenden Krankheit von Ati ausfallen lassen. Ati der sich sehr für dieses Treffen engagiert hatte musste dann noch am selben Abend für die Nacht kurzzeitig die Heimreise antreten.
Als Sümeyye und Rebekka hinzukamen, nutzten wir gemeinsam nocheinmal die letzten Stunden unseres Treffens, um intensiv über die Zukunft zu sprechen. Die Reflektion kam dabei natürlich nicht zu kurz wie u.a. die Fotos vom gemeinsamen Döner Essen beweisen.
Trotz dessen, dass das Treffen so kurze Zeit gedauert hatte, muss ich sagen das durch die Anwesenheit so vieler sehr interessanter Charaktere und Persönlichkeiten, die Chance ergriffen wurde, den so wichtigen Jüdisch-Muslimischen Dialog endlich praktisch zu forcieren. Das dies gerade in Anbetracht so vieler Konflikte (nicht nur Nahost sondern auch Amr Khaled wie wir bei bestimmten Auszügen seiner Reden auf DVD gesehen hatten) so wichtig und richtig ist, hat dieses Treffen eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Im Sinne des Eingangszitats denke ich daher das wir durch dieses Treffen den ersten Stein, der vielen als Hindernis im Kopf liegt, genutzt haben, um einen gemeinsamen Weg zu bauen der uns, so der Herr will, zu einem gemeinsamen Haus des Friedens führen wird.
Von Sebastian
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